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Interview Interview

Bild: privat

Interviewpartnerin ist Dorothee Gangnus vom Ernährungsrat Dortmund und Region e. V.

Was ist die Grundidee von FoodConnect Ruhr?

Es gibt in der Region schon einige Akteure, die sich dem Ernährungswandel verschrieben haben. Doch oft fehlt es an Schnittstellen und dem Wissen von- und übereinander. Hier wollen wir für Vernetzung, Synergien und damit größere Wirkung sorgen. Wir setzen bei der Außer-Haus-Versorgung an, um zum einen Menschen einen besseren Zugang zu gesunden und nachhaltigen Speisen zu ermöglichen und zum anderen eine Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln zu erzeugen. Dadurch wollen wir neue Vermarktungswege für die regionalen Landwirtschaftsbetriebe schaffen und regionale Wertschöpfungsketten aufbauen. Hier gab es in der Vergangenheit schon Pilotprojekte, aber es mangelt an übergeordneten Konzepten und einer guten Logistik.

Wir bringen Akteure entlang der Lebensmittel-Wertschöpfungskette zusammen, beraten sie im Sinne der Ernährungswende und stärken so die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaftsbetrieben und Einrichtungen der Außer-Haus-Versorgung. Zum Beispiel planen wir eine Plattform zum Warenaustausch für ökologisch erzeugte regionale Produkte. Unser Ziel ist eine stabile nachhaltige Wertschöpfungskette in der Region.

Welche Akteure sind an dem Projekt beteiligt?

Das Verbundprojekt hat vier maßgebliche Akteure: Der Ernährungsrat Dortmund und Region e. V. ist ein zivilgesellschaftlicher, gemeinnütziger Verein, der sich dem Thema Ernährungswende widmet. Die Stadt Dortmund ist über das Umweltamt beteiligt. Als wissenschaftlicher Akteur ist das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) mit an Bord. Schließlich ist mit NAHhaft ein erfahrener Akteur vertreten, der bereits viel Erfahrung im Bereich der Ernährungswende auf kommunaler Ebene gesammelt hat.

Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte des Projekts?

Als ersten großen Schwerpunkt wollen wir die Nachfrage in der Außer-Haus-Versorgung – den großen Kantinen, Schulen, Kitas und Krankenhäusern – als Hebel nutzen, regionale und nachhaltige Wertschöpfungsketten aufzubauen. Das beginnt mit kleinen Veränderungen in den Speiseplänen. Wenn wir etwa die Nachfrage nach Hülsenfrüchten steigern können, kann das für die Landwirtinnen und -wirte ein zusätzlicher Anreiz sein, diese anzubauen: Abnahmesicherheit ermöglicht neue Vermarktungswege!

Zweitens braucht es neue Verarbeitungsstrukturen für bestimmte landwirtschaftliche Produktgruppen – etwa für Hülsenfrüchte, aber auch andere regionale Produkte wie Kartoffeln oder Wurzelgemüse. Hier wollen wir Know-how vermitteln und Logistiklösungen entwickeln.

Unser drittes großes Thema ist der Kampf gegen Ernährungsarmut. Leider sind immer mehr Kinder und Jugendliche zuhause nicht ausreichend mit gesundem Essen versorgt. Deshalb kommt der kommunalen Außer-Haus-Versorgung, vor allem in Kitas und Schulen, eine immer wichtigere Rolle zu, gesundes und hochwertiges Essen anzubieten. Wir wollen das Thema Ernährungsarmut aber auch deutschlandweit auf die politische Agenda setzen. Bislang existiert dieser Begriff im Prinzip gar nicht, weil alle davon ausgehen, dass es so etwas in unserem Sozialstaat nicht gibt. Hierzu wollen wir konkrete Daten erfassen, um unsere Maßnahmenideen und Umsetzungsvorschläge mit wissenschaftlichen Fakten zu untermauern. 

Was sind die größten Herausforderungen für das Projekt?

Eine große Herausforderung wird sein, die Erkenntnisse aus dem Projekt langfristig in eine verstetigte Verwaltungsarbeit zu überführen. Denn natürlich wird etwa das Engagement der Stadt in diesem Bereich auch mit Kosten verbunden sein. Hierfür müssen wir gute Argumente sammeln.

Eine weitere große Herausforderung wird sein, sowohl auf der landwirtschaftlichen Seite als auch in der Außer-Haus-Versorgung bereitwillige Partner zu finden. Dafür müssen wir auf beiden Seiten erst einmal viel Vertrauen aufbauen. Gerade für die Landwirtinnen und -landwirte ist eine Umstellung der Produktion auf Bio oder der Vermarktung mit einer langfristigen Planung und erheblichen Investitionen verbunden. Das macht man nicht von heute auf morgen, das streckt sich teilweise über Jahre. Deshalb brauchen sie eine entsprechende Sicherheit von der Abnehmerseite. Da die aktuelle individuelle Direktvermarktung aber ebenfalls ökonomische Risiken birgt, können neue Vermarktungswege, wie wir sie fördern wollen, eine große Chance für die Landwirtinnen und -wirte sein.  

Als dritte große Herausforderung sehe ich es, soziale und ökologische Ziele nicht gegeneinander auszuspielen. Also: Wie schaffen wir es in einer nicht eben reichen Stadt wie Dortmund, eine ökologische Verbesserung zu erreichen, ohne dabei sozialökonomisch schwache Haushalte zusätzlich zu belasten?

Wie soll das Modell für andere Regionen umsetzbar werden?

Alle Projektpartner sind bereits vielfältig auf Landes- und Bundesebene vernetzt, weshalb unsere Erkenntnisse und Erfahrungen schnell den Weg über die Grenzen unserer Region hinaus finden werden. Das gilt für den Ernährungsrat genauso wie das ILS oder NAHhaft, aber auch für die Stadt: Dortmund ist in ein deutschlandweit kommunales Netzwerk eingebunden, das kontinuierlich in engem Austausch steht. Gerade die Erkenntnisse zur Ernährungsarmut, die wir gewinnen wollen, werden auf keinen Fall auf Dortmund beschränkt bleiben. Und umgekehrt werden wir selbst in unserem Projekt von dem Wissen profitieren, das ein Verein wie NAHhaft bereits in Vorgängerprojekten aufgebaut hat.