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Die Interviewpartner*innen sind Nils Marscheider von der Stadt Oldenburg und Judith Busch vom Ernährungsrat Oldenburg.
Warum ist das Projekt bei der Stadt Oldenburg im Amt für Klimaschutz und Mobilität angesiedelt?
Nils Marscheider: Die Verbindung mit dem Klimaschutz ergibt absolut Sinn: Schon die Ausschreibung des Modellregionenwettbewerbs hat die aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in den Mittelpunkt gestellt, die auch zu einer deutlichen Reduzierung des Fleischkonsums raten – was wiederum gut für den Klimaschutz ist. Deshalb sollten Ernährung und Klimaschutz immer zusammengedacht werden. Oldenburg will bis 2035 eine klimaneutrale Kommune werden. Dabei spielen Landwirtschaft, Gemeinschaftsverpflegung und Ernährungsgewohnheiten eine wichtige Rolle – und alle diese Aspekte verbinden wir in unserem Projekt!
Was will das Projekt „EAT-OW“ für Oldenburg und die Region neu denken?
Judith Busch: Zuallererst wollen wir Mensen, Kantinen sowie Einrichtungen für Kinder und Jugendliche ganz konkret dabei unterstützen, ihr Verpflegungsangebot nachhaltiger und gesünder zu gestalten. Dazu gehören mehr regionale Produkte aus ökologischer Landwirtschaft genauso wie die frische Zubereitung direkt vor Ort und Maßnahmen für weniger Lebensmittelverschwendung. Dabei ist es uns wichtig, nicht nur die Institutionen, sondern auch die Menschen, die dort verpflegt werden, mit Informationen zur Ernährungswende zu versorgen – und sie so für ein nachhaltigeres Ess- und Konsumverhalten auch außerhalb dieser Einrichtungen zu sensibilisieren.
Außerdem werden wir Akteure miteinander in Kontakt bringen, die bereits erste erfolgreiche Schritte in Richtung Ernährungswende gegangen sind. Es gibt sehr viele tolle Ansätze auf unterschiedlichen Ebenen, die noch nicht miteinander verbunden sind. Dabei können alle voneinander profitieren für das gemeinsame Ziel einer nachhaltigeren Ernährung. Hier soll unser Projekt für wertvolle Synergien sorgen.
Zum Dritten wollen wir Stadt und Umland stärker miteinander vernetzen. Damit soll vor allem die regionale Landwirtschaft gestärkt und der aktuell noch recht geringe Bio-Anteil erhöht werden. So können etwa neue Absatzmärkte für die Landwirtinnen und Landwirte geschaffen werden, damit sich Bio-Produktion für sie auch lohnt.
Mit welchen Schwerpunkten sind welche Akteure beteiligt?
Nils Marscheider: Am Projekt sind sehr unterschiedliche Akteure beteiligt: Wir haben die Stadt Oldenburg dabei, zwei Landkreise, eine Regionalwert AG – also eine Bürger-Aktiengesellschaft – und den Ernährungsrat, also die Zivilgesellschaft.
Der Ernährungsrat wird die Beratung von Großküchen und Anbietern von Außer-Haus-Verpflegung übernehmen. Da wird es klar definierte Ansprechpersonen geben, die in die Küchen gehen und dort zeigen, wie man den Bio-Anteil erhöhen und trotzdem möglichst kostenneutral wirtschaften kann.
Der Landkreis Oldenburg wiederum arbeitet zum Thema regionale Wertschöpfungsketten und wird dem Ernährungsrat konkrete Informationen liefern. Zum Beispiel, wo es welche Zulieferer gibt oder wie Produkte von kleineren Produzenten in die Außer-Haus-Verpflegung einbezogen werden können. Hierfür sind unter anderem Workshops und Network-Veranstaltungen geplant.
Die Regionalwert AG bereitet das ganze Thema für den Bereich Bildung auf. Dabei werden die Kantinen und Mensen als Lernorte begriffen und überlegt: Wie können wir dort Informationen so bereitstellen, dass wir Menschen unterschiedlichen Alters das Thema regionale Bio-Landwirtschaft auf einfache und verständliche Weise näherbringen?
Der Landkreis Wesermarsch kümmert sich um die breite Öffentlichkeitsarbeit. Dort werden die Kolleginnen und Kollegen also immer wieder schauen: Was gibt’s für interessante Neuigkeiten aus dem Projekt? Welche Medien interessieren sich dafür?
Und schließlich übernehmen wir als Stadt Oldenburg die Koordination. Wir blicken gewissermaßen von oben drauf und sorgen dafür, dass alles ineinandergreift. Vor allem geht es dabei darum, das bereits bestehende Netzwerk zu pflegen und auszubauen. Wir haben schon viele Absichtsbekundungen verschiedener Institutionen und Träger – die gilt es jetzt weiter zu informieren und einzubeziehen.
Was sind die größten Herausforderungen für das Projekt?
Judith Busch: Unsere größte Herausforderung ist es, den Bio-Anteil in der regionalen Landwirtschaft zu erhöhen. Dieser liegt im Landkreis Oldenburg aktuell bei gerade einmal drei Prozent, in der Wesermarsch immerhin bei knapp zehn Prozent. Hier ist es in erster Linie wichtig, mit den Landwirtinnen und Landwirten ins Gespräch zu kommen. Leider gibt es teilweise tiefe Gräben zwischen konventioneller und ökologischer Bio-Landwirtschaft, die wollen wir überbrücken. Wir werden zeigen, dass es in der Außer-Haus-Verpflegung großes Potenzial für neue Absatzmärkte mit großen, verlässlichen Abnahmemengen gibt, die Bio-Anbau attraktiv machen können. Außerdem wollen wir die Erzeugerinnen und Erzeuger genauso wie Betriebe der Außer-Haus-Verpflegung über Bio-Zertifizierungen informieren. Und wir wollen anhand von Best-Practice-Beispielen zeigen, wie wertvoll die Vernetzung mit anderen Akteuren sein kann.
Darüber hinaus haben wir mit einigen anderen Herausforderungen zu kämpfen: Mit dem Mangel an Arbeitskräften etwa, in der Landwirtschaft genauso wie in den Küchen, oder auch mit der allgemeinen Preisentwicklung – schließlich haben auch die Abnehmer einen enormen Preisdruck. Hier wollen wir Wege aufzeigen, wie Bio-Lebensmittel auch ohne große Preissteigerungen eingesetzt werden können.
Welche konkreten Schritte folgen als Nächstes?
Nils Marscheider: Zunächst steht der konkrete Teamaufbau an: Welche Personen übernehmen welche Aufgaben? Wir brauchen Leute, die gut mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren kommunizieren können, die für die vielen Herausforderungen innovative Lösungen finden können.
Gleichzeitig geht es um eine detaillierte Analyse des Ist-Zustandes: Welche Institutionen wünschen sich eine Beratung? Wo sind potenzielle Zulieferer, die ihren Betrieb gerne ausbauen möchten? Welche Verarbeiter können wir für das Projekt gewinnen? Oder anders: Wo kommen die Bio-Lebensmittel am Ende eigentlich her?
Schließlich ist die Netzwerkarbeit von Anfang an zentral. Dafür werden wir bei allen interessierten Institutionen abfragen, in welcher Form sie eingebunden werden möchten, welche Beratungsangebote und Netzwerkveranstaltungen ihnen helfen würden – und unsere Angebote dann daran ausrichten.
Wie soll das Modell für andere Regionen umsetzbar werden?
Judith Busch: Wir glauben, dass viele Regionen in Deutschland mit denselben Herausforderungen kämpfen wie unsere, und von unseren Ideen und Erfahrungen profitieren können. Also werden wir einen Leitfaden für Mensen und Kantinen dazu entwickeln, wie das eigene Angebot gesünder und nachhaltiger gestaltet werden kann. Dieser wird auch überregional nutzbar sein, mit konkreten Handlungsschritten. Da wir in unserem Projekt sehr viele verschiedene Formen von Kantinen – von der Kita über die Schule bis hin zu Betriebskantinen – mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen beraten, werden unsere Erkenntnisse für Institutionen in ganz Deutschland interessant und umsetzbar sein.
Und wir wollen unsere Akteure auch überregional vernetzen. Einerseits, um Expertise aus anderen Regionen einzuholen, die bereits mit gutem Beispiel vorangehen, aber auch um mit unseren eigenen Erfahrungen dazu beizutragen, die Außer-Haus-Verpflegung deutschlandweit nachhaltiger zu gestalten – und möglichst viele Menschen dafür zu sensibilisieren, was gute Ernährung mit Gesundheit, Umwelt- und Klimaschutz zu tun hat.